Matinee Konzert im Jubiläumsjahr
Die Musik war meine erste Liebe
Die in den siebziger Jahren von John Miles geschriebene Rockballade „Music was my first love“ ist längst zum Evergreen geworden. Pavel Brochin hat ihn in einen harmonisch schwierigen und dennoch gefühlvollen Chorsatz mit einem liebevollen Text („Vergangenheit und Zukunft, alles ist Musik“) in richtig schöne und interessante Töne gegossen, der beim Festkonzert zum 140-jährigen Jubiläum des MGV Geistingen in der Meys Fabrik seine bejubelte „Welturaufführung“ erfuhr.
Dies konnte Markus Linten, der vor einiger Zeit als neuer Vorsitzender die Geschicke des traditionellen Männerchores übernommen hat und sich wiederum als gewandter und instruktiver Programmführer bewährte, mit Fug und Recht behaupten. Letztlich bestimmt nämlich der Arrangeur welcher Chor sich zum ersten Mal (und das auf der ganzen Welt) mit der jeweiligen Partitur vertraut machen darf oder soll. Brochin, der keiner musikalischen Herausforderung aus dem Weg geht, hat die Ballade wohl eigens für das Festkonzert vertont und weiß wohl am besten, dass seine Geistinger Sänger die stimmliche Herausforderung mit Bravour bestehen würden.
Der Jubelchor präsentiert sich immer wieder als ein vorzüglich agierendes, kultiviertes, inspiriertes und sehr konzentriertes singendes Ensemble. Der in den Tenören und Bässen stimmlich ausgezeichnet besetzte Chor braucht wahrlich keinen Männerchor in Hennef und der Umgebung zu fürchten. Dieser einmütigen Auffassung waren sicher auch die Förderer Hans-Günther Hardt und Peter Schaffrath (KSK Köln), Benedikt Henkel (Stadtverband Hennefer Chöre), Prälat und Ehrenmitglied Adolf Opheys, Monsignore Robert Kreuzberg und Gäste des im Jahre 1853 (!) gegründeten Chor „Euterpe“ aus Siegen. Der stellvertretende Bürgermeister Thomas Wallau freute sich nicht nur über die broßartige Gala in der Meys Fabrik, sondern ebenso über eine Flasche Riesling aus Kröv/Mosel, die das Konterfei des MGV Geistingen und ihres Dirigenten zierte. Die Sänger haben längst die Maxime von Brochin verinnerlicht, dass die Musik hinter den Tönen beginnt! Das ist dem würdevollen Festgesang von Christoph Willibald Gluck (1714-87) und der heiteren Ouvertüre zur Rossini-Oper „Der Barbier von Sevilla“ eines Anonymus anzuhören, die zu einem köstlichen Wettstreit zwischen Tenor- und Bassstimmen gerät. Ihre lebendige und ausdrucksvolle Interpretation ist eine verzwickte Aufgabe und macht es eigentlich den Ober- und Unterstimmen nicht leicht. Dabei hilft es auch nicht unbedingt, dass das Jubiläumskonzert als „best of konzipiert worden ist. Doch die Intonation, die Stimmführungen, die Tempi, die Phrasierungen oder die Stimmübergänge müssen dennoch exakt sein. Doch da musste sich Brochin keinerlei Sorgen um die Sänger machen, die sich in wahrer Jubiläumslaune zeigten. Der besinnliche und beschwingte Reigen an Chorliedern betonte ausgiebig stimmliche Tugenden der Sänger, ob nun beim „Chianti-Lied“ oder beim nostalgischen Ohrwurm I(Wochenend und Sonnenschein1′, wobei der von Edward Elgar (1857-1934) pathetisch vertonte „Land of Hope and Glory“ die Sinne erfüllen. Der angelsächsische Hymnus (im kontrastierenden Wechsel von kleinem Chor und Gesamtchor intoniert) trifft unmittelbar die Seele, was man durchaus auch von den Black Fööss-Liedern „Loss mer singe“ und „Wenn mir Kölsche singe“ (ebenfalls von Brochin bearbeitet) sagen kann. Das von Reinhard Mey „Freunde, lasst uns trinken“ klingt in der weniger bekannten Chorfassung wie ein reizvolles Madrigal und ist gespickt mit tiefsinnigen und lebensbejahenden Trinksprüchen. Die Sänger wurden in den rhythmisch betonten Chorstücken von „Vitajij Eberljng Combo“ aus Köln klanglich dezent und mit viel Stilgefühl begleitet. Das sympathisch auftretende Trio und Pavel Brochin (Klavier) inszenierten außerdem den musikalischen Leckerbissen „James“ des amerikanischen Jazzgitarristen Pat Metheney in gekonnter Manier.
Die Sopranistin Olga Poljakoya (Stuttgart) und der Bariton Pavel Smirnov (Frankfurt/Main), vom Klavier spielenden Dirigenten bravourös, gefühlvoll und stilverständig begleitet, trugen viel mehr als ihr Scherflein zum Gelingen des Jubiläumskonzertes bei. Die grazile Solistin bezauberte durch ihre ausdrucksvolle und wandlungsfähige Stimme und ihre zauberhaften Posen im Musettewalzer aus der Puccini-Oper „La Boheme“ und im koketten Schwipslied („etwas prickelt und kitzelt im Blute“) aus der Strauß-Operette „Eine Nacht in Venedig“. Selbst in den höchsten Stimmregistern und den Koloraturen des Gesangswalzers „Il bacio“ (Der Kuss) von Luigi Artini (1822-1930) und „I feel pretty“ aus dem Musical „West Side Story“ von Bernard Bernstein (1908-90) machte sie eine bezaubernde Figur im doppelten Sinne! Der Baritonsänger erntete für die wundervolle Figaro-Arie (bei der der hellwache Brochin besonders kräftig in die Klaviertaste griff) verdiente Bravorufe für seine verblüffende Bühnenpräsenz und seine ausladenden Gesten. Dabei offenbarte Pavel Smirnov eine voluminöse und äußerst beredte Stimme, die keine Wünsche offenließ. Das gilt ebenso für das neapolita-nische Lied „Non ti scordar di me“ (Vergiss mein nicht) von Ernesto di Curtis (1875-1937), den Song „Were thine that Special face“ aus dem Musical „Kiss me, Kate“ von Coje Porter (1891-1964) und das begeistert beklatschte „Fly me to the moon“ von Bart Howard (1915-2004). Das sentimental geprägte Duett von Christine und Raoul aus dem Musical „Phantom der Oper“ von Andrew Lloyd Webber (1948) gestalteten die beiden Solostimmen recht intensiv. Für den gemütvollen Kehraus sorgte das unverwüstliche „Unser Stammbaum“ der Black Fööss, ehe der MGV Geistingen die Gäste im Foyer bewirtete.
Text: Walter Dohr Fotos: Dr. Hartmann